Alte Wege bei Rhede (Ems)

von Dr. Jonas

Die Bedeutung des Dorfes Rhede liegt in seiner Lage am schiffbaren Laufe der Ems und zwar an einer wichtigen Übergangsstelle derselben, welche die Gebiete des heutigen Nordosthollands mit dem Lande östlich der Ems verbindet und die bereits die Römer bei ihren Kriegszügen in Germanien benutzten. Rhede liegt ferner unmittelbar an der wichtigen Stammesgrenze der Sachsen und Friesen und war im Mittelalter einer der wichtigsten Märkte für den Austauschverkehr zwischen diesen beiden Stämmen.
Die geographisch außerordenlich günstige Lage auf einem schmalen und hohen Sandrücken am Ufer der Ems veranlaßte schon früh, Siedler sich hier niederzulassen. Bot doch der breite Bogen der Ems im Norden und das weite sumpfige Flachmoor des Flaars im Süden, voll- ständigen Schutz gegen feindliche Überfälle. Fruchtbarer Acker- boden, dazu der Reichtum der Umgebung an Gewässern, Wiesen und Mooren bildeten auf der anderen Seite den Anreiz für Siedler, die schon seit der Mittelsteinzeit hier ununterbrochen nachgewiesen werden konnten.
Mehrere alte Handels- und Verkehrslinien berühren sich in Rhede.

Da ist zunächst „Die hillge Laan“ (der heilige Weg) eine Ost-West- Verbindung. Sie führt vom Westausgange des Dorfes zum Rheder Feld, wo sie den „Osseweg“ kreuzt, über das Rheder Hochmoor nach Alt-Bellingwolde jenseits der Grenze. Der Weg führt über die Katten- tange und weiter über die Verlängerung dieses Sandrückens, der sich unter dem Hochmoor befindet. Er konnte also nur benutzt werden, als der Sandrücken noch nicht vermoort war. Die Moordecke in diesem Hochmoorteil besteht aus jüngerem Weißtorf und ist in den Jahrhunderten nach Christus aufgewachsen. Bis zu diesem Datum war also der Weg benutzbar. Seit dem ersten Jahrhundert nach Christus fiel er der Vermoorung anheim, wenn man auch noch zuerst sich durch Auflegen von Knüppeln und Buschenholz behalf.
Dieser Moorweg fällt wie ähnliche Wege in Ost-West-Richtung der weiter südliche gelegenen alten Emsdörfer in die ingwäonische, erste große Siedlungsperiode der Landschaft. Bei Sustrum wurde ein Teilstück eines Ost-West-Bohlenweges untersucht, der um 400 n.d.Ztw. aufgegeben werden mußte. Diese Wege zeigen die enge Verbindung der heute durch Moor und Grenzen getrennten Länder in der Vorzeit an. Dasselbe lehren die Funde der Urnen jener Periode. Im Mittelalter wurde die „Hillge Laan“ vorübergehend als Fußpfad wieder benutzt.

Die zweite Weganlage ist noch gegenwärtig in Resten vorhanden. Es ist der „Osseweg“ (Asenweg ?). Die erhaltenen Reststücke der Wege
zeigen uns eine breite Weganlage, welche durch einsame Heiden und an Mooren vorbei vom Norden zum Süden führt. Von Oldersum, das ursprünglich am linken Ufer der Ems lag, verläuft der Weg über das alte Bentmarshammark (heute „Böhmerwold“), Möhlenwarft und Brual nach Rhede, umgeht dann in weiten Bogen das Flaargebiet und führt über Bourtange zur holländischen Provinz Drente. Im heutigen Neu- Rhede zweigt von diesem alten Heerweg eine Seitenstrecke ab, welche wieder zur Ems zurückführt. Auf diesem Heerwege zogen die römischen Heere landeinwärts von Emden aus, wo sie die Schiffe verließen. Der Weg war infolgedessen durch befestigte Stützpunkte gesichert. Solche befanden sich bei Walchum (die Silbe „Walch“ oder „Welsch“ ist die germanische Bezeichnung für Römer) und bei Eppingawehr im Rheiderlande, wo eine römische Siedlung aus der Zeitwende ausgegraben wurde.
In den Kriegszügen der Römer war der Osseweg die Hauptnachfuhr- straße, nur ein kleiner Teil der Truppen wurde auf der Ems, die viele Untiefen besaß, befördert.
So wurde auf einem Kriegszuge des Germanikus im Jahre 16 ein Teil der Truppen auf der Ems mit Schiffen bis nach Düthe, einer Ort- schaft in der Nähe von Lathen befördert, wo sie sich mit den Land- truppen, die den Osseweg genommen hatten, vereinigten.
Der Osseweg führt wie der alte Barenbergweg über die höchste Sandtange im System der ehemaligen Flußufer und dürfte dement- sprechend ebenso alt sein wie der rechtsemsische Wanderweg, der schon in der Mittelsteinzeit von auswandernden Stämmen des Küstenvolkes wiederholt benutzt wurde. Die Folgen dieser alten Wegnutzungen waren Dünenbildungen an seinen Rändern, die am Barenberge zuerst untersucht wurden und eine genaue Datierung des alten Weges ermöglichten.
Der Osseweg dürfte auch während der Bronzezeit eine bedeutende
Rolle gespielt haben und seine Bezeichnung kann auf diese Periode zurückgeführt werden.

Der dritte alte Weg ist der „Marschweg“, der in den mittelalterlichen Akten wiederholt genannt worden ist. Vogler teilt uns folgendes mit:

„Das Weideland der „Marsch“ gab dieser mittelalterlichen Verbindung den Namen. Eingekeilt zwischen dem Emslauf der Neuzeit und dem Tochtenlauf, geschnitten von vielen ehemaligen Emsarmen, die in den Jahrhunderten immer wieder eine Verlagerung des Weges durch die Marsch erzwangen, sehen wir hier eine weitere Nord-Süd-Verbindung im Zuge der Strecke Emsland-Friesland, die im Gegensatze zu dem Osseweg durchweg in der Niederung verlief.“
(Alte Wege des Dällandes, Emsländische Volksblätter,1938,Nr.202)
Der „Marschweg“ stellt also ein Gegenstück zu dem auf dem rechten Ufer der Ems verlaufenden alten Lüdewege, der seit dem8. Jahrhun- dert in Nutzung war und wiederholt besandet wurde.
Die beiden Niederungswege fallen nach den neueren Untersuchungen mit einer Kulturperiode zusammen, welche in den Hammrichen und Flachmooren an der Unterems eine Vorübergehende Ausbreitung der Ackerkulturen (mit Roggen und Hafer) mit sich brachte. Der Höhe- punkt dieser Kultur, dessen Spuren noch gegenwärtig überall in den Hammrichen an der Unterems zu sehen sind, entsprach einer Zeit größter Landverluste an den Küsten. In dieser Zeit (1200-1450) ist auch in den alten Dörfern ein Kulturanstieg nachgewiesen, welcher ebenfalls auf die vom Norden herzugewanderte Bevölkerung zurück zu führen ist.
Die Schicksale der drei alten Wege bei Rhede begleiten die Entwick- lung des Dorfes von seinen Uranfängen bis zur Gegenwart und die beiden ältesten Wege sind von dem Mytos der Vergangenheit bereits umfangen.

(Quelle: Ortschronik der Gemeinde Rhede, 1966 von Hans Wessels)

Deutung der Ortnamen

Rhede, Neurhede, Borsum und Brual 

von Oberstudienrat Gerhard Hilling, Papenburg

1. Rhede

Im Jahre 829 erscheint der einstämmige Orsname als Villa (Dorf) Hretha (mit latinisierter Endung a); 890 in den Formen Hriadi (Lokativg SG.) und Redan (Dativ PL.); ca. 1000 als Redun (Dativ Pl. und Lokativ PL.)

Zur Deutung: althochdeutsch hriot, altsächs. hriot, alt- friesisch hriad, mittelhochdeutsch riet und mittelnieder- deutsch ret bedeuten: Ried oder Schilfrohr; auch mit Schilfrohr bewachsenes Sumpfgelände. Daher ist der Orts- name Rhede zu deuten als (Dorf) beim Ried. Die Deutung       „Ankerplatz“ ist sprachlich nicht möglich.

2. Neurhede

Neurhede ist, wie der Name sagt, eine „Neusiedlung von Rhede“. Dieser Ort wurde im Jahre 1788 als Moorkolonie gegründet, und zwar von 37 Siedlerfamilien aus Rhede, Borsum und Heede, die zur Pfarrei Rhede gehörten. Die Initiative zu dieser Neuansiedlung ging von der Regierung des Fürstbistums Münster aus, die damals acht neue Moorsiedlungen entlang der niederländischen Grenze an- legen ließ.

3. Borsum

Die ältesten Belege des einstämmigen Ortsnamens sind:       891 Bursine (Genitiv SG.), um 1000 Bursina und Brussina    (Enitiv SG.). Der alte Name des Ortes besteht aus drei Teilen: dem Stamm bur- oder bru (mit Umstellung + s- Suffix + der altfriesischen Genitivendung -ine oder -ina) Die heutige Schreibung des Ortsnamens mit der Endung -um ist offenbar auf eine Angleichung an ostfriesische Bezeichnungen wie Jemgum, Ditzum u.a. zurückzuführen (-um in der Bedeutung „Heim“)Doch bei der Deutung des Namens muß man von alten Formen und von Parallelen ausgehen.

Parallelen sind neben anderen Borssum bei Emden. Burs- felde an der Weser und der Name des altsächsischen Gaues an der Vechte: Bursibant = „Moorgau“

Der Stamm bur- oder bru- dürfte „Bruch“ oder „Moor“ be- deuten, und die wörtliche Übersetzung wäre dann: „Des Moores (Besitz)“, oder kurz. „Moorsiedlung“

4. Brual

Der Name des Ortes ist erst spät überliefert: 1345 als Burwall (mit fehlerhafter Schreibung); 1463 als Burwale   (Dativ SG.); heute sprechen die Einwohner des Dorfes von Bruwale (mit Umstellung und langem a).

Zur Deutung: Der zweistämmige Ortsname besteht aus dem Bestimmungsort bur- oder bru- = „Bruch“ oder „Moor“ und aus dem Grundwort wal (mit langem a); dieses ist gleich- deutend mit dem mittelniederländischen Wort waa oder     wael = „tiefer Kolk“. Der Ortsname Brual ist daher so zu deuten: „Siedlung beim tiefen Moorkolk“.