Grenze zwischen Deutschland und Niederlande
Klasse 10 a RS/ GSW / Zusatztext zum Thema „Europa“:
Früher waren die Grenzen zwischen Ländern oft von der Natur gebildet worden. Flüsse, Moore, Urwälder oder Meere trennten Volksstämme und Sippen. Später markierten die Regierungen ihre Grenzen durch Steine. Die Grenze zwischen dem heutigen Deutschland und der heutigen Niederlande war um 1815 nicht g e r a d e, sondern sehr zackig. Das erschwerte u. a. die Bewirtschaftung der Flächen und es gab öfter auch Grenzstreitigkeiten. Deshalb wurde in mehreren Verträgen eine Grenzbegradigung von Bunde bis nach Aachen vorgenommen.
Die für Neurhede wichtige Grenze wurde im „Meppener Grenztraktat“ vom 02. Juli 1824 begradigt. Neurhede war am 03. Juni 1788 gegründet worden. Dieser Vertrag enthielt eine exakte Grenzziehung mit einer genauen Beschreibung der Markierungen durch Grenzsteine. Jeder neue Stein hatte ein N auf niederländischer und ein H auf hannoverscher Seite (Königreich Hannover bis 1866). Von Aachen bis zum Dollart wurden die Grenzsteine durchnummeriert.
Durch die lineare Grenzziehung wurden einige Grenzbewohner und Eigentümer von grenznahen Grundstücken hart betroffen. Oft verlief die Grenze quer durch die Grundstücke, manchmal sogar durch Haus und Hof. Diese Fälle sind im Traktat besonders berücksichtigt worden. So soll ein grenzdurchschnittenes Haus zu dem Land gehören, in dem das größte Stück des Gebäudes liegt. Gärten, Scheunen sowie andere Nebengebäude bleiben beim Hauptgebäude. Durch die Grenzbegradigung lagen somit ehemalige deutsche Flächen auf niederländische Seite. Sie konnten aber weiterhin von deutscher Seite aus bewirtschaftet werden.
Die Besitzverhältnisse der grenzdurchschnittenen Grundstücke wurden durch die neue Grenzziehung nicht angetastet. Es blieb also deutsches Land. Den Grenzbewohnern, deren Eigentum teils diesseits ,teils jenseits der Grenze lag, wurde eine völlig freier Zugang zu diesen Grundstücken eingeräumt, soweit dieser zum Betrieb der Landwirtschaft nötig war. Somit konnten die Besitzer solcher Grundstücke Mist, Heu/Stroh und sonstigen Dünger für den Anbau ihrer Felder, sowie jede Art Feld-/Garten- und Landfrüchte zollfrei ein-/ausführen. Allerdings durften die Zöllner und Kommiesen ( Name für ndl. Zöllner) kontrollieren.
Im Vertrag wurde festgelegt, dass in Zukunft im Grenzgebiet kein Gebäude errichtet werden dürften, außer Staatsgebäude und Verteidigungsanlagen. 100 Rheinische Ruten ( 1 Rute = 3,766 m) war beiderseits das „Niemandsland.“ Deshalb haben wir heute beiderseits der ehemaligen Grenze eine freie Fläche von ungefähr 2 x 400m. Hätte man dort Häuser gebaut, hätten die Zöllner Hausdurchsuchungsbefehle haben müssen, wenn sich evtl. Schmuggler dort versteckt hätten. Die Zöllner brauchten freies Sicht-, Schussfeld.
Nach dem II. Weltkrieg behielten die Niederländer die deutschen Flächen, die in NL lagen. Dadurch haben deutsche Grenzbewohner viel Land verloren. In Neurhede waren es 76 Landwirte mit fast 300 ha. Entschädigt wurden die Neurheder nicht von niederländsicher Seite, sondern nur von deutscher durch den Lastenausgleich nach dem II. Weltkrieg. Später wurde das ehemals deutsche Land von ndl. Seite aus den deutschen Bauern /Grenzbewohnern zum Kauf wieder angeboten.
Die traktatgeschädigten Neurheder Landwirte machten davon Gebrauch und kauften rd. 200 ha (eigenes) Land zurück. Die Provinz Groningen hat 1989 weitere rd. 50 ha zum Kauf angeboten, die teilweise von Neurheder Landwirten gekauft wurden. Die restlichen Flächen – ca. 50 ha – verblieben endgültig bei der Provinz Groningen als Aufstockungsflächen für die Festung Bourtange. Die Gemeinde Rhede (Ems) war verpflichtet, die im Bereich der Traktatflächen liegenden Wirtschaftswege auf eigene Kosten zu unterhalten. Erst nach Abschluss des in dem Gebiet durchgeführten Flurbereinigungsverfahrens (Ruilverkaveling) im Jahre 2001 wurde die Gemeinde von dieser Verpflichtung entbunden.
24 Neurheder Landwirte haben heute jenseits der Grenze noch Ländereien.
Verfasser: Hermann Wilkens, Rektor der Ludgerusschule und Siegfried Lammers, ehem. Gemeindedirektor der Einheitsgemeinde Rhede/Ems im Dezember 2008